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DAS LEBENSGEFÄNGNIS — Das Gefängnis des Lebens

 

 

 

Um erfolgreich wirklich Nut­zbringendes ernten zu können, müssen wir im Ge­fängnis selbst ler­nen. Unter­sucht das tatsächliche duk­kha von innen heraus. Also halten wir jetzt besser in uns Aus­schau und fin­den dieses Ge­fängnis, über das wir sprechen wer­den.

An diesem Punkt werden wir vor die Wahl gestellt: werden wir von außen lernen oder werden wir von innen lernen? Diese Un­terscheidung ist wesentlich. Der Buddha sagte, dass wir von innen studieren müssen. Das äußere Lernen kommt von Bü­chern, Zeremonien, Übungen und Dingen wie diesen. Alles was wir ler­nen müssen, hat der Tathâgata in Bezugnahme auf den lebenden Körper und den lebenden Geist er­klärt. Das ist der Ort an dem ech­tes Lernen statt­fin­det, also lernt dort.        

Ganz korrekt gesprochen, können wir, wenn wir wirklich erfolgreich sein wollen, von den Schriften, von den Techniken und den verschiedenen Lehren nichts lernen. Lernt im Inneren, das be­deu­tet, lernt in euch se­lbst wäh­rend ihr noch lebt, bevor ihr tot seid. Äußere Studien - das Ler­nen aus Büchern und all die verschiedenen Zeremo­nien und Ri­tua­le - haben nichts von Wert zustandegebracht. Also lasst uns innen stu­dieren. Bitte merkt euch diese Worte: "innerlich ler­nen".

Training in samâdhi und vipassanâ (Sammlung und Ein­sicht), das heißt die Achtsamkeit beim Atmen ânâpânasati-bhâvanâ zu entwickeln, wie wir es hier getan haben, ist dieses inner­liche Lernen. Um dieses innere Studium zu bewältigen, be­darf es zwar eines zie­mli­chen Maßes an Geduld und Ausdauer, aber auch nicht übermäßig viel. Ei­gent­lich, wenn wir es mit einigen von den Dingen ver­gleichen, die andere Leute üben, wie Hochlei­stungs­sport, Gym­nastik und Akro­batik, sind diese Dinge schwie­riger als das Trai­ning in samâdhi und vipassanâ durch die Geistes­gegen­wart beim At­men. Und doch gibt es Menschen, die genug Ausdauer und Beh­arrlich­keit besitzen, um sol­che Dinge zu tun. Wenn wir also auch nur mäßig ausdauernd sind, werden wir imstande sein, mit samâdhi und vipassanâ, mit Geistesgegenwart beim Atmen zu üben. Einige hielten es nicht aus und sind be­reits davon­gelau­fen. Wir haben genug Ausdauer gehabt, um soweit zu kommen und wenn wir noch ein bisschen weiter machen, werden wir in der Lage sein, die Übung auszuführen und wir werden den eigentli­chen Nutzen daraus erhalten. Also wendet Euch diesem inne­ren Stu­dium zu und tut das mit ausreichend Geduld und Aus­dau­er.

Metapher zu verwenden macht es uns leichter, die Sache, die wir besprechen, zu verstehen. Also benutzen wir sie hier, und heute sprechen wir mit Euch allen über das "Ge­fäng­nis".

Das erste Gefängnis, nach dem Ihr Ausschau halten sollt und das Ihr erkennen müsst, ist das Leben selbst.

Wenn Ihr das Leben als Ge­fängnis anseht und erkennt, dann müs­sen wir sagen, dass Ihr die Wahrheit der Natur bereits ziemlich gut kennt. Die meisten Menschen jedoch betrachten das Leben als etwas Erfreuliches, eine Gelegen­heit, um Spaß zu haben. Sie sind willens, für den Genus des Lebens zu leben. Dann ver­nar­ren sie sich in das Le­ben und werden davon ganz in Anspruch genom­men. Dass sie vom Leben betört und getäuscht werden, be­wirkt, dass das Le­ben zu einem Gefängnis wird.

Wenn wir das Leben als Gefängnis ansehen, dann müssen wir das upâdanâ in diesem Leben gesehen haben. Ansonsten werden wir nicht erkennen, dass das Leben ein Gefängnis ist. Statt dessen werden wir damit zu­frie­den sein und denken, dass das Leben himmlisch ist. Denn es gibt in ihm auch so viele Dinge, die uns befriedigen, die uns aus­tricksen und uns einwickeln. Aber in allem, das wir als be­frie­digend, angenehm, ansprechend und betörend empfinden, wird es auch upâdanâ geben. Diese Dinge werden zum Gefängnis. Wie sehr wir auch etwas lieben, es wird mindestens in diesem Maße zum Ge­fängnis werden, durch upâdanâ. Das ist eine positive Form von upâdanâ. Sobald wir etwas hassen oder etwas nicht mögen, wird es zu einer negativen Form von upâdanâ, und damit genauso zum Gefä­ngnis. Getäuscht und fehlgeleitet zu wer­den, entweder vom Positiven oder vom Negativen, führt in beiden Fällen ins Gef­äng­nis. Und so verwandelt sich das Le­ben in dukkha.

Wenn man das so sieht, wird man auch erkennen, dass sich das Leben nur wenn es upâdanâ gibt, sich in ein Gefäng­nis verwandelt; wenn es jedoch kein upâdanâ gibt, dann ist das Leben überhaupt kein Gefäng­nis.

Das bedeutet, dass normalerweise oder natürlicherweise das Le­ben kein Gefängnis ist, dass wir es nur durch upâdanâ zu einem Ge­fängnis machen. Durch unsere eigene Ignoranz, unsere eigene Dummheit, unseren Mangel an richtigem Verständnis gibt es upâdanâ in unserem Leben. Leben wird dann ein Gefängnis für uns. In Thai haben wir einen Ausdruck der sowohl derb als auch kri­tisch ist, "so nahm na man" was etwa, "das geschieht dir recht" bedeutet. Durch unsere eigene Dum­mheit erzeugen wir upâdanâ aufgrund von avijjâ (Unwissenheit) und schon ist ein Ge­fäng­nis da. Was soll man dazu sagen: "so nan na man - das ge­schi­eht dir recht".

 Hier und jetzt solltet Ihr Euer Leben betrachten, und sehen, ob es in Eurem Leben upâdanâ gibt oder nicht. "Ist mein Leben ein Ge­fängnis oder nic­ht? Lebe ich in einem Gefäng­nis aus upâdanâ oder nicht?" Jeder von Euch muss sehr genau in sein eige­nes Herz schauen und absolut klar sehen, ob das Leben für ihn ein Gefängnis ist oder nicht. Warum sollten wir sonst hier herkommen, um zu meditieren und den Geist zu kultivieren? Im We­sentlichen ist das wahre Ziel und der Zweck der Gei­stes­ent­wicklung: die Zerstörung unserer Gefängnis­se. Ob Eure Studien und Übungen erfolgreich sind, ob Ihr das Gefäng­nis zerstören könnt oder nicht, ist eine andere Frage. Überdenkt folgendes genau. Wenn wir upâdanâ nicht erkennen, sind wir im Gefängnis gefangen, ohne es überhaupt zu erken­nen. Was noch schlimmer ist, wir sind zufrieden und ver­narrt in die­ses Gefängnis, genauso wie wir in das Leben ver­narrt und damit zufrieden sind. Weil wir in das Leben ver­narrt und damit zufrieden sind, werden wir im Gefängnis des Lebens gefangenge­halten.

Was werden wir tun? Wie müssen wir leben, damit das Leben kein Ge­fängnis ist? Dies ist die Frage, die wir mög­lichst genau und richtig beant­worten müs­sen.

Wenn Ihr erfolgreich seid mit Eurer Übung von Anapanasati (Kultivation des Geistes durch Geistesgegenwart beim At­men), werdet Ihr das Leben gut verstehen. Ihr werdet upâdanâ gut verstehen und Ihr werdet kein upâdanâ in Eurem Leben haben. Dann löst sich jedes Gefängnis das entsteht auf und ver­schwindet oder es entsteht erst gar nicht. Bitte ver­steht diese Tat­sa­chen wie Ihr sie verste­hen solltet. Das wird Euch dazu motivieren, Euch mit Ener­gie und Ge­duld der Zerstö­rung des Gefängnisses zu widmen.

Ein anderer Blickwinkel, von dem aus man diese Sache betrachten kann, ist die Tatsache, dass das Leben entsprechend des Ge­setzes der Natur verlaufen muss. Oder anders gesagt, wir selbst müssen im Ein­k­lang mit dem natürlichen Gesetz leben. Wir müssen nach Nahrung suchen, müssen uns bewegen, müssen ausruhen und ent­spannen, müssen arbeiten, um uns zu erhalten. Wir müssen diese und alle die anderen Dinge tun, die Ihr genau kennt. Sie nicht zu tun, ist unmöglich. Wir sind durch das Gesetz der Natur dazu gezwungen, sie zu tun. Auch das ist eine Art Gefängnis. Wie können wir aus diesem besonde­ren Ge­fängnis ausbrechen?

 Warum wurden wir in dem Gefängnis des "unter-dem-Gesetz-der- Natur-leben-müssens" eingesperrt? Dieses Ge­fäng­nis entspringt unse­rem upâdanâ, das wir uns selbst oder unser Leben betref­fend hegen. Wenn upâdanâ auf uns ­selbst gerichtet ist, dann wird das "Ich", das "Selbst", gebo­ren. Dieses "Ich" ist ängst­lich, es macht sich Sorgen, es fürchtet sich und hat Angst vor die­sen natür­lichen Pflichten und deshalb wird es un­glücklich. Diese Schw­ierigkeiten kommen vom upâdanâ. Wenn wir kein upâdanâ bezüg­lich des "Ich" hätten, dann wären diese notwendigen Pflichten nicht wie ein Gefäng­nis für uns.

Wenn wir keinerlei upâdanâ hinsichtlich des Lebens hegen, wer­den wir in der Lage sein, für unsere Bedürfnisse zu sorgen, un­seren Lebensunterhalt zu verdienen, den Körper zu bewegen und auf ihn acht zu geben, ohne unglücklich zu sein. Das ist sehr sub­til, es ist ein Mysterium für die meisten Men­schen. Dies ist die Sub­tilität der natürli­chen Wahrheit. Wie werden wir leben, damit es kein dukkha in Verbindung mit der Tatsache gibt, dass alles im Leben entspre­chend des Gesetzes der Natur ausge­führt werden muss?

Das zweite Gefängnis, das wir betrachten müssen, ist die Tatsache, dass wir unter dem Einfluss der Triebe stehen und im Machtbereich der Instinkte leben. Alle lebende We­sen, ob Menschen, Tiere oder Pflanzen, haben In­stinkte. Diese In­stinkte zwin­gen uns dauernd, ihren Anliegen und Bedürfnis­sen zu fol­gen. Das gilt besonders für den Sexual- oder Fort­pflan­zungs­tri­eb. Wie sehr kontrollie­rt er uns, macht uns Ärger, macht die Din­ge kom­pli­ziert, und hält uns auf Trab. Sexu­elle Gefühle und fort­pflanzerische Antriebe pressen, un­ter­drü­cken und stö­ren uns so gründlich; sie zwin­gen uns durch alle Arten von Schwierigkeiten. Aber wir können nicht aufhö­ren. Manchmal ist uns das sogar recht.

Auch unsere Kinder wa­chsen und entwickeln sich bis zu dem Stadium in dem der Sex­ualtrieb voll­stän­dig ausger­eift ist, und dann sind die Kin­der im Gefäng­nis dieser sexu­el­len Trie­be gefan­gen.

Sogar der Trieb der Angeberei kann unser Leben bestimmen. Vie­le Menschen würden das nicht für einen Trieb halten, aber alle Tiere haben ihn. Das Bedürfnis sich her­auszustellen, an­zuge­ben, auf sich aufmerksam zu machen, ist ein In­stinkt. Sogar Tiere haben aufgrund der instinktiven Bedingtheit das Bedürf­nis zu zeigen, dass sie schön, oder sta­rk, oder gewandt, oder was auch immer sind. Sogar dieser verrückte­ste, unsinnigste In­stinkt ist ein Ge­fängnis. Wir wollen an­ge­ben und prahlen.

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